Sich regen bringt Segen – der Appenzeller Whiskytrek
Text: Julia Nourney | Routenvorschläge: Jörg Hans | Bilder: Julia Nourney, Jörg Hans, Appenzeller Whiskytrek
Dieses alte arabische Sprichwort gilt seit Anfang Mai für alle, die sich auf ein außergewöhnliches Fitnessprogramm einlassen möchten. Dabei gilt es, zahlreiche Hütten im Alpstein-Gebiet im Nordosten der Schweiz zu erreichen, um dort in den Genuss einzigartiger Whiskys zu kommen.
Seit vergangenem Herbst liegen auf insgesamt 26 Hütten des Alpsteins individuelle Fässer, die allesamt mit unterschiedlichen Säntis Malts der Appenzeller Brauerei Locher befüllt sind. Auch im Stammhaus, dem zentral gelegenen „Brauquöll“, befindet sich ein Fass, von dem probiert werden kann und von dem man sich, genauso wie auch auf allen Alphütten, ein handliches Fläschchen mit 10 cl abfüllen lassen kann.
Whiskys im Gebirge verteilt
Die 27 Single Malts des Whiskytreks lagerten zunächst alle nach der traditionellen Methode der Säntis Malts in alten dickwandigen Bierfässern in den Kellern der Appenzeller Brauerei. Nach einigen Jahren der Grundreifung wurden sie dann in die unterschiedlichsten Fässer zur Nachreifung und zusätzlichen Aromenanreicherung umgefüllt. Die ursprünglich mit Sherry-, Port-, Moscatel- oder Madeira-Weinen, Rum, Cognac oder Zwetschkenschnaps gefüllten Fässer wurden im Herbst 2014 auf die Hütten des Alpsteins verteilt und ruhten unangetastet – teilweise völlig eingeschneit – während des Winters. Gleichzeitig mit dem Startschuss für die neue Wander- und Bergsteigersaison im Appenzeller Alpstein-Gebiet rund um den Säntis wurde Anfang Mai nun auch der Whiskyrek freigegeben und die Bergwirte konnten schon die ersten whiskyinteressierten Wanderer und Sammler begrüßen. Manche der Hütten sind relativ einfach mit dem Auto, Bus oder der Bergbahn erreichbar. Andere Hütten können nur mit Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und guter Puste besucht werden. Dafür wird man dann aber nicht nur mit einem besonderen Whisky, sondern auch mit einer spektakulären Aussicht belohnt.
Nähere Informationen zu den Hütten, den dort lagernden Whiskys und der höchstgelegenen Whiskytour der Welt finden sich auf www.whiskytrek.ch und in der begleitenden Broschüre, die sowohl im Brauquöll, auf allen Hütten des Alpsteins sowie bei dem Appenzeller Tourismusbüro ausliegen.
Der Besuch der Hütten selbst ist kostenfrei, die Whiskys müssen dort natürlich bezahlt werden. Alternativ gibt es im Brauquöll, bei den Bergwirten sowie beim Appenzeller Tourismusbüro Gutscheinhefte mit 9 oder 27 Gutscheinen, die in beliebigen Hütten eingelöst werden können. Die Hefte kosten 150 oder 400 Schweizer Franken und pro Gutschein erhält man 10 cl Whisky.
Gemäß dem Motto „blood, sweat & tears“ lohnt sich für fitte Wanderer, die auch vor steilem und felsigem Gelände nicht zurückschrecken und schwindelfrei sind, die Investition in die „große Tour“. Der Whiskyfan erhält neben den 27 Gutscheinen zusätzlich einem hölzernen Rahmen für die effektvolle Präsentationen seiner Sammlerfläschchen. Aber auch wer sich nicht für die große Tour entscheidet und somit auch nicht den Rahmen als „Mitgift“ bekommt, kann trotzdem im Brauquöll fündig werden und sich solch einen Rahmen für 50 Schweizer Franken kaufen.
Auf dem Whiskytrek wandern
Für den Besuch aller Berggasthäuser sollte man sich möglichst eine Woche Zeit nehmen und hoffen, dass – zumindest bei den Besuchen der entlegensten Hütten – das Wetter mitspielt. Üblicherweise sind mehrere Stationen pro Tagestour erreichbar, wer sich aber lieber Zeit lässt, sollte in dem einen oder anderen Fall auch Zwei-Tages-Touren mit Übernachtungen auf den Hütten einplanen. Die Wirte fast aller Bergrestaurants haben sich extra auf whiskyinteressierte Gourmets vorbereitet und bieten zahlreiche Spezialitäten mit und zum Whisky an, die alle in der Broschüre und auf der Website des Whiskytreks gesonderte Erwähnung finden.
Das erste Fläschchen kann man sich leicht im Brauquöll im Herzen Appenzells sichern. Diese zentrale Anlaufstelle sollte man auf keinen Fall auslassen, denn dort gibt es alle Informationen über den Whiskytrek aus erster Hand. Die Berggasthäuser Kaubad, Hoher Hirschberg, Eggli, Lehmen, Alpenrose, sowie Krone und Rössli in Brülisau sind leicht per Auto erreichbar. All diese Stationen verfügen über Fässer mit mindestens 200 Litern Fassungsvermögen und sollten somit auch einem größeren Ansturm von Whiskyliebhabern und -sammlern standhalten.
Wer nach der Autotour noch das 9. Fläschchen der „kleinen Tour“ benötigt, muss schon etwas höher hinaus und entweder zu Fuß oder per Bergbahn einige Höhenmeter überwinden. Bequem erreichbar sind die Restaurants der Bergbahn-Endstationen auf dem Hohen Kasten, der Ebenalp, dem Kronberg und dem 2502 Meter hohen Säntis-Gipfel, von dem aus auch der Alte Säntis problemlos erreichbar ist.
Wer seine Lungen mit der reinen Luft der Appenzeller Alpen füllen möchte, kann sich zu Fuß von Wasserauen aus in Richtung der Berggasthäuser Seealpsee und Forelle (etwa eine Stunde recht steil bergan) machen oder in entgegengesetzter Richtung von Brülisau aus zum Berggasthaus Ruhesitz gehen (auch knapp eine Stunde, nicht ganz so steil).
Wer sich den mühsamen Weg zu den Hütten ersparen möchte und hofft, die 27 unterschiedlichen Abfüllungen einfach nur irgendwo bestellen zu können, wird enttäuscht. Die Whiskyraritäten wird es ausschließlich vor Ort bei den Hüttenwirten geben, limitiert auf ein Fläschchen pro Besucher. Wer sich also nicht selbst auf den Weg zu den alpinen Quellen macht, wird leer ausgehen.
Der Verbleib der Fässer in den Berggasthäusern ist abhängig von der Nachfrage für einen längeren Zeitraum geplant. Wer den diesjährigen Sommerurlaub also schon verplant hat oder erst noch etwas für seine „Bergfitness“ trainieren möchte, dürfte auch in der nächsten Saison noch fündig werden. Für jedes Fass, egal ob 50, 100 oder 200 Liter groß, gibt es ein Ersatzfass in den Tiefen der Appenzeller Brauerei, um auch einer größeren Nachfrage gerecht zu werden.
Vorschläge für Touren auf dem Whiskytrek
Tagestour mit 4 Stationen
Bei Tagestouren unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade sind die meisten Anlaufstellen gut kombinierbar. Eine leichtere Route mit 4 Whisky-Stationen könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen:
Mit der Bergbahn ab Jakobsbad auf den Kronberg, von dort aus führt ein rund 30-minütiger Weg bergabwärts zur Scheidegg, weitere 90 Minuten bergab findet man das Berggasthaus Ahorn. 45 Minuten später erreicht man das Gasthaus Lehmen. Von dort kann man mit dem "Publikcar" nach Weissbad fahren und dann mit der Bahn über Appenzell zurück nach Jakobsbad, dem Ausgangpunkt am Fuß der Kronberger Bergbahn.
Variable Tour mit 7, 12 oder 14 Stationen
Eine etwas anspruchsvollere Route mit sieben Whisky-Stationen könnte an einem weiteren Tag auf dem Programm stehen:
Besuch der beiden Gasthäuser Rössli und Krone in Brülisau, die quasi nebeneinander liegen und bequem per Auto oder öffentlichem Bus erreichbar sind. Vom Parkplatz aus führt dann ein etwa 50- bis 60-minütiger Weg zum Gasthaus Ruhesitz hinauf. Weiterhin bergan kommt man nach rund einer Stunde zum Drehrestaurant Hoher Kasten. Auf dem Höhenkamm geht es ungefähr eine Stunde und 15 Minunten mit atemberaubenden Ausblicken weiter zum Berggasthaus Staubern. Leicht bergab erreicht man rund zwei Stunden später Bollenwees und eine weitere Stunde bergabwärts das Gasthaus Plattenbödeli am Sämtiser See. Von hier aus sind es nur noch 45 Minuten bis man wieder auf dem großen Parkplatz in Brülisau ankommt.
Man kann diese Tagestour auf eine zweitägige Tour mit weiteren fünf Whisky-Stationen und einer Übernachtung auf einer der Hütten ausdehnen, indem man nach dem Gasthaus Bollenwees über den Widdersattel zur Meglisalp geht (ca. 3,5 Stunden) und von dort weiter zum Mesmer (ca. 1,5 Stunden). Nach etwa 80 Minuten bergab erreicht man den pittoresken Seealpsee mit den beiden Gasthäusern Seealpsee und Forelle. Das Tal und das Gasthaus Alpenrose erreicht man nach einem weiteren 50-minütigen Spaziergang auf einer abschüssigen Versorgungsstraße. Von dort geht’s mit dem öffentlichen Bus zurück nach Brülisau
Wer noch nicht genug hat, kann zwei weitere Stationen einbauen und die zweitägige Tour um einen rund 90-minütigen, bergaufführenden Umweg zu den beiden Gasthäusern Aescher und Ebenalp ergänzen und eine kurze Verschnaufpause in dem in den Fels gebauten „Wildkirchli“ einlegen. Von dort geht es mit der Bergbahn hinunter zum Gasthaus Alpenrose und – wie bereits beschrieben – mit dem Bus zurück zum Parkplatz in Brülisau.
Anspruchsvolle Tour mit 11 Stationen
Die empfohlene Tour für erfahrene Berggänger, die auch schwindelfrei sein sollten, deckt insgesamt 11 Whisky-Stationen ab:
Von Wasserauen mit der Bergbahn zur Ebenalp. Von dort aus wird ein rund 30-minütiger Abstecher zum Aescher und ins Kirchli gemacht, der auf gleichem Weg zurück zur Ebenalp führt. Danach geht es in rund 90 Minuten mit grandiosen Ausblicken bis zum Bodensee bergan zum Schäfler. Für die folgende Strecke, die zunächst bergab am Seealpsee vorbei und dann wieder bergan zur Meglisalp führt, sollte man mindestens 2,5 Stunden einplanen. Weitere 1,5 Stunden steiler Bergstrecke später erreicht man das Berggasthaus Rotsteinpass. Die anschließende rund 1,5 stündige alpine Wanderung über den Lisengrat, die zunächst zum Gasthaus Alter Säntis und danach zum Panoramarestaurant Säntisgipfel am oberen Ende der Säntis-Seilbahn führt, ist sehr anspruchsvoll und sollte nur von erfahrenen Berggängern mit guter Kondition und adäquater Ausrüstung absolviert werden. Der Weg zurück ins Tal führt in rund 4,5 Stunden über Mesmer und die beiden Gasthäuser Forelle und Seealpsee hinab bis zum Restaurant Alpenrose, das wieder am Ausgangspunkt in Wasserauen liegt.
Wer diese Strecke an einem Tag schaffen will, sollte auf keinen Fall die erste Bahn zur Ebenalp am frühen Morgen verpassen, sonst könnte es zeitlich eng werden! Wer stattdessen in Ruhe die kulinarischen Angebote der Wirte und die atemberaubenden Ausblicke genießen möchte, dem sei eine Übernachtung in einer der Hütten am Weg empfohlen. Dann kann man auch guten Gewissens einen Whisky probieren!