Scotland's Referendum revisited

Text: Diego Berndt

Flaggen des Vereinigten Königreichs und Schottlands

Das Ergebnis ist nun Geschichte. Seit mehr als 300 Jahren waren die Schotten, seit Ratifizierung des 1701 unterzeichneten Act of Union, Teil des Vereinigten Königreiches. Eine lange Zeit. Immer wieder haben die Schotten versucht, sich von den angeblich so ungeliebten Landsleuten im Süden zu lösen und wieder eine eigenständige Nation zu werden. Der Abneigung gegenüber dem United Kingdom (UK) – und damit auch gegenüber den Engländern – habe nach Großbritannien-Experte Prof. Dr. Helmut Weber jedoch nichts mit einer Abneigung gegenüber der englischen Bevölkerung an sich zu tun. In einem Spiegel-Online Interview im Vorfeld der Abstimmung stellte Professor Weber heraus, dass man sich vor allem von der Zentralregierung aus London übervorteilt sähe. Diese Ängste seien uralt, säßen tief und man sei den Bund damals von Seiten Schottlands nicht zuletzt deswegen eingegangen, um wirtschaftlich wieder stärker zu werden.

Auch der britische Premier David Cameron hatte die Schotten drei Tage vor dem Referendum bei einer Rede ins Gebet genommen und erklärt, dass man zusammen deutlich besser dran wäre. Fast schon ein wenig schmollend meinte er, es ginge hier nicht um eine Trennung auf Probe, sondern vielmehr um eine schmerzhafte Scheidung. Es schien fast so, als verkörpere Cameron für einen kurzen Moment den verletzten Stolz eines vergangenen britischen Empires, der immer dann zutage tritt, wenn althergebrachte und gefestigte Standards zu bröckeln scheinen.

Im Vorfeld des Referendums wurde viel über die Kraft und die Ressourcen eines unabhängigen Schottlands gesprochen. Ölvorkommen, Tourismus und nicht zuletzt Lebensmittelexporte, zu denen auch die weltweit geliebten Whiskys zählen, seien eine gute ökonomische Grundlage für eine Unabhängigkeit. Doch gerade die Whiskyindustrie, eines der Markenzeichen für schottische Lebensart, hatte im Vorfeld große Bedenken gegen ein Ausscheiden aus dem UK geäußert.

Die Confederation of British Industry (CBI) hatte sich bereits im April letzten Jahres mit einem Aufruf an die Whiskyindustrie gewandt, gegen die Unabhängigkeit zu Felde zu ziehen. Der CBI gehören 26.000 schottische Unternehmen an. Carl Reavey von Bruichladdich soll gesagt haben, dass alleine die Unsicherheit über den Ausgang der Abstimmung schlecht sei für eine Branche, die immer die Langfristigkeit ihrer Planungen im Auge haben müsse, berichteten die Whisky Experts.

Die Branche befürchtete eine zu starke Deregulierung des Marktes und Chaos aufgrund der Währungsumstellung. Eine Aufnahme in die Eurozone hätte ohne Ausnahmeregelung Jahre dauern können und die britische Regierung hatte bei mehr als nur einer Gelegenheit klargestellt, dass man den Schotten das Pfund nach der Unabhängigkeit nicht lassen würde. Auch der beschränkte Zugang zum europäischen Markt könnte fatale Folgen haben, schrieb unter anderem das Onlineportal der New York Post am 16.09.2014. Ein unabhängiges Schottland wäre nicht automatisch Teil der EU, was die Exportvorschriften und Zölle drastisch hätte verschärfen können. Man warnte vor enormen Preisanstiegen für Scotch und vielleicht hat der eine oder andere Sammler seine seltenen Whiskys schon als Wertanlage gesehen.

Doch dann kam der 18. September. Das Volk stimmte ab und entschied sich gegen einen Austritt aus dem vereinigten Königreich. Zurück blieben tiefe Gräben in der schottischen Gesellschaft und eine erleichterte Whiskyindustrie, frei nach dem Motto „Same procedure as always.“

Selbst wenn die Bedenken der Industrie im Vorfeld berechtigt waren und der europäische Whiskyfreund seinen Dram weiterhin zu „normalen“ Preisen genießen will, steckt, wie ich finde, dennoch eine gewissen Ironie hinter dem Ganzen. Genau die Leute, deren Produkt wie kaum ein anderes international für die Seele Schottlands, seine Lebensart, seine Kultur und seine Abgrenzung vom Rest Britanniens steht, lehnten die Trennung und den Sprung in die Unabhängigkeit ab. Legitim, sinnvoll und pragmatisch, aber dennoch ironisch und fast ein wenig traurig.


Mehr zu diesem Thema: Im Vorfeld des Referendums hat sich Jörg Freiwald bereits im Beitrag Scotland's Referendum mit den Bedenken und Hoffnungen einiger Personen, Institutionen und Unternehmen beschäftigt.