Scotland's Referendum

Text: Jörg Freiwald

Flaggen des Vereinigten Königreichs und Schottlands

Der steinige Weg zur Unabhängigkeit

Die Geschichte zeigt, dass das Erreichen der Unabhängigkeit einer der bedeutsamsten Gründe ist, um Krieg zu führen. Die wohl bekannteste Unabhängigkeitserklärung wird jedes Jahr am 4. Juli gefeiert. Denn an diesem Tag im Jahr 1776 erreichten die USA mit der Ratifizierung der Unabhängigkeitserklärung durch den Kontinentalkongress die Souveränität, als die ursprünglichen Dreizehn Kolonien sich vom damaligen Kingdom of Great Britain lossagten. Jedoch wurde diese Erklärung von den Briten nicht anerkannt und es entbrannte ein Kampf, der bis zum Frieden von Paris am 3. September 1783 andauerte. Erst an diesem Tag gab die Britische Krone den Dreizehn Kolonien ihre Freiheit. Schon früher wurden Kämpfe um die Unabhängigkeit in Europa geführt. Dabei waren die Briten durch ihre Kolonialisierungen nicht nur häufig involviert, sondern oftmals Auslöser der Kämpfe. Das United Kingdom (1) entstand schrittweise durch Englands Übernahme der umliegenden Staaten beziehungsweise der damaligen kleineren Königreiche und Fürstentümer. Offiziell wurden die Länder England, Wales und Schottland durch die „Treaty of Union“ und die darauffolgenden „Acts of Union“ im Jahre 1707 vereint. Dabei wurden natürlich noch keine Wahlen abgehalten, sondern ein Entschluss durch die Herrschenden gefasst, der seitdem von einem beachtlichen Teil der schottischen Bevölkerung in Frage gestellt wird. 1801 wurde dann noch Irland in das Königreich geholt, allerdings konnte der Großteil der Insel 1922 einen eigenen, unabhängigen Staat errichten. Am 18. September 2014 werden nun die Einwohner Schottlands durch ein Referendum an die Urne gebeten, um ihre Wahl zu treffen: Entweder ein Teil des United Kingdom bleiben oder ein unabhängiger Staat werden.

Die Diskussion wird nicht erst seit der Vorstellung des Scottish White Paper am 26. November 2013 geführt, sondern bereits seit über 300 Jahren. Das Scottish White Paper ist ein Dokument, das aufzeigt, wie Schottland seine Unabhängigkeit erreichen kann und wie das Land danach aussehen würde. Für den Fall, dass die Schotten durch die Abstimmung ihre Unabhängigkeit erreichen, würde das Land am 24. März 2016 als eigenständiger Staat auf unseren Landkarten erscheinen. Interessanterweise dürfen jedoch nur diejenigen Schotten an der Wahl teilnehmen, die sich innerhalb der Landesgrenzen aufhalten. Jene, die ihren Wohnort in England oder anderswo auf der Welt haben, müssten also eine mehr oder weniger lange Reise antreten, um mit abstimmen zu können. Ihrer Währung, dem Pfund Sterling, und natürlich auch der Queen wollen die Schotten aber treu ergeben bleiben, wie Die Welt berichtet .

Pro und Contra

Der Befürworter eines unabhängiges Schottland, Alex Salmond (SNP, Ministerpräsident Schottland seit 2007), präsentiert in seinen Reden immer wieder stichhaltige Argumente, warum Schottland aus dem UK austreten und ein eigener Staat werden sollte. Dabei sollen die üppigen Ölreserven Schottlands – einige der größten innerhalb der EU – das finanzielle Rückgrat seiner Politik bilden. Der Kern von Salmonds zukünftiger Politik für Schottland soll eine ausgewogene Familienpolitik und Kindesversorgung sein. Er versucht in der Debatte seinen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er Vergleiche zu anderen kleineren Staaten zieht. Nach dem Erreichen ihrer Unabhängigkeit sind ihre Nachbarstaaten Irland und Norwegen wirtschaftlich stärker geworden und haben internationale Anerkennung erlangt. Ebenso könnten die Interessen Schottlands auf internationaler Ebene deutlich besser vertreten werden, wenn das Land einen eigenen Sitz in der UN und der EU erhalten würde. Zusätzlich verfügt Schottland bereits über ein eigenes Rechtssystem. Die Erklärung zur Unabhängigkeit wäre also für Alex Salmond der logische nächste Schritt.

Die Gegner der Unabhängigkeitskampagne sind nicht nur in Schottland selbst, sondern auch auf dem internationalen Parkett zu finden. Die Deutsche Bank warnt Anleger und Investoren davor, dass ein Verlassen des UK zu einem Abzug von Geldern führen wird, berichtet "The Week". Ebenfalls dort zu lesen ist, dass Salmond verkündet, "Schottland würde natürlich das Pfund behalten“. Dem entgegen steht allerdings das Gesetz der Bank of England, nach dem nur Mitglieder des United Kingdom auch das Pfund als Währung verwenden dürfen (2). Ein Beitritt zur EU wäre aber nur dann möglich, wenn auch der Euro als offizielle Währung eingeführt wird. Und das, obwohl der Euro innerhalb des UKs so unbeliebt ist. Ein neues, eigenes Verteidigungs- und Sicherheitssystem müsste errichtet werden, was laut Experten wirtschaftlich nicht tragbar wäre. Die Flagge des Vereinigten Königreiches müsste geändert werden, da das St. Andrew’s Cross dann aus dem Union Jack entfernt werden würde. Dadurch könnte auch der Union Jack als Verkaufsschlager in Form von Buttons, Tassen, Anzügen und Autolackierungen zu einem historischen Andenken werden.

Mögliche Auswirkungen auf den Whiskymarkt

Die BBC veröffentlichte im April dieses Jahres einen Artikel, in dem die Scotch Whisky Association (SWA) die Verkaufszahlen von schottischem Whisky kommentiert. Dort wurde auch gesagt, dass durch die EU ein besserer Zugang zu internationalen Märkten, wie Indien, ermöglicht wird. Ein Austritt aus dem UK würde zunächst auch einen Austritt aus der EU bedeuten und für eine gewisse Zeit würden EU-externe Zölle gelten. Gerade für die wirtschaftliche Stabilität des Landes wäre das enorm wichtig, denn die Exporte des schottischen „Lebenswassers“ machen 85% der gesamten Nahrungsmittelexporte Schottlands und annähernd ein Viertel des Britischen Exports aus. Außerdem würden internationale Handelsabkommen und andere Verträge, die mit dem UK geschlossen wurden, dann nicht mehr für Schottland gelten.

Jetzt, da das Datum näher rückt, schreiben auch vermehrt deutsche Medien über das Referendum. Auf Spiegel Online heißt es, selbst Firmen wie Diageo bangen um ihr geliebtes Produkt, sollte es zu einem unabhängigen Schottland kommen. Das Unternehmen, das für Namen wie Johnny Walker und Talisker aber auch Guiness, Smirnoff und Baileys bekannt ist, warne deutlich davor, die EU zu verlassen. The Guardian berichtet, dass Diageo die Produktion aufgrund der strikten Richtlinien zur Herstellung von Scotch Whisky keinesfalls aus Schottland verlegen kann oder wird. Jedoch ist es das Anliegen von Alex Salmond und seiner Partei, die Zeit außerhalb der EU so kurz wie möglich zu halten. Sie möchten nach dem Erreichen ihrer Unabhängigkeit ein eigenständiges und stärkeres Mitglied der EU werden. So steht es jedenfalls in ihrem White Paper. Für den Whiskyfreund ist der Ausgang des Referendums vom 18. September 2014 in jedem Fall von großem Interesse.

Mehr Infos zum Thema

Um die Diskussionen zu verfolgen, bieten sich viele Seiten im Internet an. Außerdem berichten The Guardian, die BBC und viele andere Quellen laufend über die Debatte. Hier ein paar Beispiele in englischer Sprache:

– Auf der Homepage des Referendums www.scotreferendum.com finden sich alle Basisinformationen sowie auch das „Scottish White Paper“ als Download. Vorsicht: hier kann man schnell Stunden lang lesen!

– Eine stets aktualisierte Stellungnahme des schottischen Parlaments findet sich auf der Homepage des Regierungsorgans.

– Defence.pk bietet eine nette Übersicht von Antworten auf zentrale Fragen.

– Die BBC bietet aktuelle Debatten und eine Übersicht über den Verlauf an.

– Die Seite twizz.co.uk bietet eine kurze Gegenüberstellung von Pro und Contra Argumenten sowie eine Übersicht über die Kampagne der Befürworter wie auch die der Gegner zur schottischen Unabhängigkeit.

– Der Telegraph meldet die Sorgen der Scotch Whisky Association über einen möglichen Beitritt zur EU.

– Der englischsprachige Blog von Paul Prentice befasst sich ebenfalls mit dem Thema Whisky und schottische Unabhängigkeit.


Anmerkungen des Autors

(1) Wenn vom United Kingdom (kurz UK) gesprochen wird, ist im Volksmund meist das United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland gemeint – also die Länder England, Schottland, Wales und Nord Irland sowie die kleineren umliegenden Inseln, wie die Isle of Man. Great Britain – also Groß Britannien – bezieht sich jedoch lediglich auf die größte der Britischen Inseln, wird aber oft synonym für das UK verwendet, ist also eigentlich falsch. Eine detaillierte Übersicht findet sich auf www.visualnews.com.

(2) Neben dem United Kingdom, also England, Schottland, Wales und Nord Irland, verwenden auch ein paar wenige Kronbesitzungen und Überseegebiete das Pfund entweder direkt oder als Wechselkursparität.