Irish Whiskey in der Krise? Nein! (Teil 2)
Der irische Whiskey erlebte turbulente Monate. Monate, geprägt durch negative Berichterstattungen über Absatzflauten, Produktionsstopps und Insolvenzen. Zeit für einen genaueren Blick auf die Grüne Insel. In unserer dreiteiligen Reihe differenzieren wir zwischen den verschiedenen Herstellern und beleuchten ihre jeweilige Situation. Daraus ergibt sich ein diverses Bild einer Industrie zwischen Krise und Chance.
Teil 1: Irish Whiskey = Irish Distillers
Teil 2: Great Northern Distillery: Land in Sicht
Teil 3: Gezeiten des Revivals (erscheint am 30. Dezember)
Teil 2: Great Northern Distillery: Land in Sicht
Die Getreidesilos der GND versorgen die insgesamt sechs kupferne Pot Stills und drei Column Stills mit Gerstenmalz, ungemälzter Gerste und Mais.
Die Getreidesilos der GND versorgen die insgesamt sechs kupferne Pot Stills und drei Column Stills mit Gerstenmalz, ungemälzter Gerste und Mais.
Während die Irish Distillers die rauen Marktgewässer mit kräftigen Kurskorrekturen, aber stoischer Ruhe durchpflügen, schwanken die restlichen Whiskeyproduzenten von der grünen Insel teils beträchtlich. Dabei treffen die Wellen, ausgelöst von einer sinkenden Nachfrage in den Kernmärkten, auch das Marktsegment der Auftragsdestillation und der Private- und White-Label-Produktion. In diesem Bereich sind die Great Northern Distillery (GND) und die West Cork Distillers die beiden Branchenschwergewichte. Im zweiten Teil unserer Serie über die aktuelle Marktlage in Irland betrachten wir die Great Northern Distillery genauer. Zu Wort kommt dabei ihr Inhaber, Serienunternehmer und Irish-Whiskey-Ikone John Teeling.
John Teeling: Legende mit Weitsicht
In der irischen Whiskeywelt gibt es kaum eine Person, die mehr von dieser gesehen hat als John Teeling. Seit er 1987 die Cooley Distillery als dritte Brennerei neben dem damaligen Monopol entstanden aus Irish Distillers und Bushmills (1) eröffnete, hat der 1946 geborene irische Unternehmer das Wohl und Leid der Branche stets hautnah miterlebt. Überzeugt vom großen Potential des irischen Whiskeys zeigte Teeling dabei viel Weitsicht und Ausdauer. Schließlich etablierte er Cooley als drittes Zugpferd in Irlands bis dahin überschaubarer Anbieterlandschaft. Viele sehen gar in den ersten Jahrzehnten der Cooley Distillery den Ausgangspunkt für die beispiellose Wiedergeburt des irischen Whiskeys während der letzten Dekade.
Great Northern Distillery
In 2012 verkaufte Teeling die Cooley Distillery für 71 Millionen Euro an Beam Inc. Einen Teil des Erlöses reinvestierte er in die Gründung der GND. Diese nahm im Sommer 2015 die Produktion auf. Erneut entwickelte sich Teelings Projekt zu einem der größten Produzenten Irlands. Der Schwerpunkt: Auftragsproduktion für Großabnehmer sowie die Produktion zum Vertrieb an Markeninhaber ohne eigene Destillationsanlagen. Die bewährte Gabe der Weitsicht ließ John Teeling in einen nachhaltigen Nachfrageboom in diesem Segment vertrauen. In einem Interview in 2017 erwartete er eine Verdoppelung des branchenweiten Absatzvolumens binnen zehn Jahren.
Die Wash Still von GND fasst 50000 Liter während Intermediate Still und Spirit Still jeweils 26000 aufnehmen. In 2023 verdoppelte Teeing die Brennkapazitäten indem er die Brennblasen replizierte. Seit dem entstehen Double Malt, Triple Malt, Peated Malt und Pot Still auf insgesamt sechs Brennblasen. Die Jahreskapzität beträgt 4,4 Millionen Liter Reinalkohol (LPA). Hinzu kommen 12 Millionen LPA Grain Whiskey aus den Column Stills, vorranging für Blends.
Die Wash Still von GND fasst 50000 Liter während Intermediate Still und Spirit Still jeweils 26000 aufnehmen. In 2023 verdoppelte Teeing die Brennkapazitäten indem er die Brennblasen replizierte. Seit dem entstehen Double Malt, Triple Malt, Peated Malt und Pot Still auf insgesamt sechs Brennblasen. Die Jahreskapzität beträgt 4,4 Millionen Liter Reinalkohol (LPA). Hinzu kommen 12 Millionen LPA Grain Whiskey aus den Column Stills, vorranging für Blends.
Tatsächlich wuchs die Branche beträchtlich. Kürzlich erschien der aktuelle Irish Whiskey Global Trade Report, in dem die Irish Whiskey Association (IWA) unter anderem die Ergebnisse des Vorjahres veröffentlicht. Laut dem 2025er-Report betrug der Absatz im Jahr 2024 insgesamt 16,1 Millionen Nine-Litre-Cases. Im Jahr 2017 waren es noch 9,6 Millionen Cases.
Dazu stieg die Anzahl an Whiskybrennereien: Wo es einstmals drei gab, verzeichnet der Trade Report nun 50 Stück (2). Neben deren Portfolios entstanden viele Irish Whiskey Brands ohne eigene Produktion. Mit der Vielfalt des Angebots wuchs die GND. „Wir liefern Whiskey für 50 Prozent der irischen Whiskeymarken“, so Teeling heute. „Darunter vor allem an die kleinen, neuen Marken.“
Dabei arbeitet GND für die Hälfte seiner Kunden als Auftragsproduzent. John Teeling: „Die meisten Brennereien haben nur Pot Stills. Die meisten Whiskeys sind Blends.“ Da diese große Anteile Grain Whiskey enthalten, liegt hierin für GND mit ihren Grain-Kolonnen ein lukratives Geschäft als Zulieferer.
Zeitenwende in den USA
Doch zu John Teelings Weitsicht gehörte auch die Erwartung einer Marktabkühlung. „22 Jahre lang wuchs irischer Whiskey in zweistelligen Raten. Das konnte nicht so weitergehen“, stellt er nüchtern fest. Jetzt korrigiere sich der Markt. Zum starken Marktwachstum trugen vor allem die USA als größter Einzelmarkt bei. Deshalb sei es für eine aktuelle Bewertung wichtig, dessen jüngste Entwicklung zu betrachten. John Teeling erklärt: „Die derzeitige Krise findet vor allem in den USA statt. In anderen Märkten wie Asien, dem Süden Afrikas und in Teilen von Osteuropa wächst die Branche weiter zweistellig.“
Doch zuletzt änderte sich das Geschehen in den USA. „Nach COVID wuchs der Markt in den USA rasant“, so Teeling. Doch dann brach die Nachfrage im Einzelhandel ein. Die Folgen für GND: „Unser Absatz hängt vom Absatz unserer Abnehmer ab. Viele davon haben einen Fokus auf die USA. Darum geht es ihnen schlecht und somit auch uns.“
Vorratskäufe verzerren das Bild
Die monatelange Zolldiskussion Anfang 2025 in den USA vergrößerte die Probleme. Teeling beschreibt einen der negativen Effekte: „Die Unsicherheiten durch Zölle haben dazu geführt, dass Importeure frühzeitig eingekauft haben.“ Dadurch vermieden diese höhere Kosten durch spätere Zollaufschläge. Deshalb zeigte sich laut Teeling zuletzt ein stabiles, aber trügerisches Marktbild. Denn aus den nun vollen Lagern muss die Ware erst wieder abfließen, ehe mit neuen Bestellungen gerechnet werden kann. Je länger dies dauert, desto schwächer werden die kommenden Absatzzahlen ausfallen. „Zusätzlich sehen wir erste Schwächeanzeichen aus Westeuropa“, so Teeling.
Langfristig sieht Teeling den Markt in den USA weiterhin als bedeutend: „Irish Whiskey wird in den USA wieder wachsen. Dort gibt es noch einiges zu erreichen. Ich glaube, Irish Whiskey wird die Scotch-Verkäufe übertreffen.“
Spekulanten bekommen kalte Füße
Ein weiterer Grund für das Wachstum in den USA seien Spekulanten gewesen. In Erwartung weiter steigender Preise kauften diese bei John Teelings GND im großen Stile ein. 2Genau wie mit Bourbon erwarb eine Anzahl an Spekulanten Irish Whiskey in Massen“, berichtet der. Für GND ein gutes Geschäft um den Absatz zu erhöhen. Aber auch eine sichere Wertanlage für die Investoren? „Steigende Zinsen sorgten für einen Wandel von Euphorie zu Vorsicht“, sagt Teeling weiter.
Darauf reagierten die Spekulanten: „Neukäufe haben gestoppt. Die Investoren wissen nicht, wie sie aus dem Markt aussteigen sollen.“ Darum wird dieser lagernde Whiskey bei GND zum Überhang. Und für die Spekulanten zum Dilemma. Denn wann immer von einem Produkt zu viel da ist, sinkt dessen Preis. Deshalb brauchen Investoren jetzt einen langen Atem um ihr flüssiges Kapital noch gewinnbringend umzusetzen.
Bis 2025 arbeitete GND in 24/7-Schichten. Aufgrund voller Lager und hoher Kosten reduzierte Teeling die Schichten auf 24/4.
Bis 2025 arbeitete GND in 24/7-Schichten. Aufgrund voller Lager und hoher Kosten reduzierte Teeling die Schichten auf 24/4.
GND: Zwischen Anpassung und Chancen
Auf diese vielschichtigen Entwicklungen reagierte GND mit zwei konkreten Maßnahmen. „Wir produzieren jetzt 24/4 anstatt 24/7“, beschreibt Teeling akute Kosteneinsparungen in der Produktion. Daneben rückt er den Fokus weg von den USA und hin zu den Wachstumsmärkten: „Wir verstärken unsere Vertriebsbemühungen in Asien und dem Süden von Afrika.“
Dort sieht Teeling trotz aller derzeitigen Marktturbulenzen die kommenden Chancen für irischen Whiskey. Dabei folgert er mit der ihm eigene Weitsicht: „In den nächsten 20 Jahren werden drei Milliarden Menschen in die Mittelklasse aufsteigen. Sie sind unser potentieller Markt. In diesen Märkten bauen wir unser Vertriebsteam aus.“
Irish Whiskey in der Zukunft
Dabei hat Teeling auch ein Bild vor Augen, wie der zukünftige Whiskeymarkt in Gänze aussehen wird. Seine Schlagworte sind Marktsegmentierung und Produktdiversifizierung. Hierin läge die Chance für Whiskeyhersteller und Marken. „Verschiedene Altersangaben für Einsteiger und Fortgeschrittene. Produkte können auf unterschiedliche Geschmäcker zugeschnitten werden: verschiedene Mashbills, unterschiedliche Blends.“ Auf diese Weise ließen sich gänzlich neue Kundengruppen erschließen. Gefällige Everyday-Drams führen Neulinge an die Spirituosenkategorie heran und gehobene Abfüllungen holen erfahrene Whiskyfans ab. Zusätzlich können je nach regionaler Kaufkraft verschiedene Preissegmente bedient werden. Nicht zuletzt lassen sich Geschmacksprofile auf lokale Präferenzen abstimmen. Von mild und eingängig bis zu komplex und kräftig. Darum ist Teelings Ausblick für die Branche, trotz der aktuell unruhigen Phase, langfristig positiv: „Ich sehe heute größere Potentiale für Irish Whiskey als ich sie in den 1970ern gesehen habe.“
Fußnoten
1) 1966 entstand aus den drei traditionsreichen Unternehmen Cork Distilleries Company, John Jameson & Son und John Power & Son die damalige Irish Distillers Limited (heute Irish Distillers Pernod Ricard). Bushmills war daraufhin die einzige Whiskybrennerei in Irland, die nicht zu Irish Distillers gehörte. 1972 schloss sich auch Buschmills der Unternehmensgruppe an, sodass zeitweise ein Monopol entstand, in dem die Irish Distillers als einziger Anbieter die gesamte Nachfrage nach irischem Whiskey bedienten. Diese Situation endete 2005 als Bushmills für 295 Millionen Euro an Diageo verkauft wurde. Bereits 2003 begannen die West Cork Distillers mit der Produktion, 2007 folgte Kilbeggan. Der Markt erhielt neue Dynamik. Ab 2013 setzte dann der Gründungsboom ein, der zur heutigen Brennereilandschaft Irlands führte.
2) Seit dieser Zählung der IWA im November 2024 wurden neue Destillerien eröffnet, während andere die Produktion einstellen mussten. Die genaue Zahl ändert sich im Augenblick fast monatlich.
Über den Autor

Neil Saad stammt gebürtig aus dem Ruhrgebiet. Nach über einer Dekade des Reisens, zog er 2021 auf die Grüne Insel. In seiner neuen Heimat im Südwesten von Irland veranstaltet er professionelle Tasting-Events. Daneben ist er freiberuflicher Reise- und Whiskeyautor. Zudem präsentiert er als Co-Host des Podcasts Irish Whiskey News Deutschland monatlich die neuesten irischen Whiskeys und portraitiert Brennereien.
