Eisige Würfel
von Jörg Freiwald
Whiskeyfreunde wissen natürlich schon längst, dass sich der gute Tropfen nicht nur ganz pur genießen lässt. Er eignet sich auch wunderbar als Zutat beim Kochen, als Mixgetränk oder „on the rocks“ – also auf Eis. Es gibt allerdings mehr Möglichkeiten, als den guten Whiskey durch ganz ordinäre Eiswürfel abzukühlen und ihn auch gleichzeitig nicht zu verwässern. Eine dieser Alternativen ist echt „rockig“ und erfreut sich einer wachsenden Beliebtheit: die Whiskey Stones. Anbieter, wie Teroforma oder Pearl, bieten Kühlwürfel aus Speckstein oder Edelstahl für 8 bis 20 Euro an. Die Specksteinwürfel sind rein ökologisch und da sie weicher sind als Granit soll auch das Glas von jeglichen Kratzern verschont bleiben. Zum Glück, denn so mancher Genießer investiert nicht nur in einen guten Whiskey sondern auch in die unterschiedlichsten Tumbler und Nosinggläser. Die doppelt so großen Edelstahlwürfel haben deshalb abgerundete Kanten und enthalten einen Kern aus Wasser und beide Produkte sollen den Drink bereits nach 5 Minuten deutlich abkühlen – so die Hersteller. Das muss natürlich getestet werden – vorher wurde aber erst recherchiert.
Sucht man im Internet nach eben diesen Whiskey Stones stößt man neben den Vertreibern auch auf diverse Berichte dazu, wie die Rezension von John Hansell im Blog des Whisky Advocate, den Vergleich "Whiskey Stones vs. Ice Cubes" im Scotchblog oder den Beitrag von Christoph Grützner auf paleoseismicity.org. In letzterem wird auch physikalisch erklärt, wie man die Kühlfähigkeit eines Stoffes beschreibt.
Da sich sich die Aromen eines Whisk(e)ys optimal bei einer Trinktemperatur von 19–22 °C entfalten, wird das Lebenswasser normalerweise pur und in dünnwandigen Nosing-Gläsern verköstigt. Kaum ein Whisk(e)ykenner würde seinen Freunden einen Scotch on the rocks anbieten – es sei denn natürlich, sie wünschen das. Wer hier an eine Szene aus dem Klassiker „Who framed Roger Rabbit?“ (1988) denkt, ist gar nicht mal auf dem Holzweg. In dieser Szene bestellt Detective Eddie Valiant in einer von Zeichentrickfiguren geführten Bar einen Scotch on the rocks und ruft dem Kellner „…and I mean Ice!“ hinterher. Natürlich sind dann Steine in seinem Drink. Ob diese Szene die Inspiration dafür war, Steine zur Getränkekühlung auf den Markt zu bringen, wissen wir natürlich nicht. Aber genug der Vorrede, was bewirken diese Alternativen denn nun im Drink?
Stein, Stahl, Eis – wer kühlt wie?
Um die Wirkung und den Eindruck von Whiskey Stones möglichst greifbar zu machen, versammelten wir 3 Tester, um die 3 unterschiedlichen Methoden zu vergleichen. Im Verlauf des Tests wurden folgende Daten festgehalten: Temperatur, Geschmack, Farbe und auffällige Besonderheiten. Die Messungen erfolgten nach jeweils 2, 5, 10 und 20 Minuten. Diese Intervalle entstanden nicht rein zufällig. Die Hersteller behaupten, dass nach 5 Minuten der Drink „deutlich gekühlt wird.“ Aber wir wollten es noch schneller kalt haben und ebenso sehr wissen, was mit dem Getränk passiert, wenn es über einen längeren Zeitraum genossen werden soll.
In unserem Test kamen Whiskey Stones aus Speckstein, Edelstahlwürfel und herkömmliche Eiswürfel nach einem 14-stündigen Aufenthalt im Gefrierfach zum Einsatz. Nach Herstellerangaben genügen bereits 3 Whiskey Stones um den Drink nach nur 5 Minuten auf „angenehme Trinktemperatur herunter zu kühlen“. Da in einem ersten Selbstversuch sowie in mehreren Internetforen schon festgestellt wurde, dass diese 3 Würfel den Drink kaum kühlen konnten, verdoppelten wir die Anzahl und nahmen annähernd die gleiche Volumenmenge an anderen Kühlwürfeln. Somit wurden 6 Whiskey Stones, 3 Edelstahlwürfel und 4 Eiswürfel den Drinks hinzugefügt. Der Test wurde in einen Raum durchgeführt, dessen Temperatur konstant bei 23 °C lag. Da jeder Teilnehmer seine persönlichen Präferenzen hatte, was den Genuss eines Single Malts angeht, verwendeten wir keinen Scotch, sondern einen Four Roses Kentucky Bourbon Whiskey mit einer Füllmenge von jeweils 6 cl bei 23 °C Temperatur. Also über der empfohlenen Trinktemperatur, was den Einsatz von allen Kühlungsmethoden rechtfertigen sollte.
Das Offensichtliche zuerst: Das Glas mit den Eiswürfeln fing schnell an zu beschlagen und sorgte für einen trüben Eindruck. Die Edelstahlwürfel brachen und reflektierten das einfallende Licht, sodass der Whiskey stellenweise ein wenig heller wirkte. Ein Effekt, ähnlich der Sonne, die sich nach einem schweren Regen einen Weg durch die Wolken sucht. Die Specksteine schienen das Licht zu verschlucken und der Anblick des Glases erinnerte an dunkle Gemäuer und die Ruhe einer alten Bibliothek.
Nach 2 Minuten
Nach 2 Minuten wurde dann das erste Mal die Temperatur gemessen und auch der Geschmack festgestellt. Der Kühlungseffekt trat zwar bei allen Testgläsern ein, jedoch in unterschiedlicher Intensität. Wie erwartet kühlte das Eis am stärksten, von einer Ausgangstemperatur von 23 °C auf nur noch 9 °C. Die Edelstahlwürfel senkten die Temperatur in diesen 2 Minuten auf 11 °C und obwohl der Unterschied zu den Eiswürfeln nur 2 °C beträgt, war der Whiskey angenehmer zu trinken. Einer der Tester glaubte, einen leicht metallischen Geschmack feststellen zu können. Dieser Eindruck legte sich jedoch beim zweiten Schluck und wurde auch nicht von den anderen Testern bestätigt, weshalb wir ihn als Illusion gewertet haben, hervorgerufen durch den Anblick des Stahls im Glas. Der Kühlungseffekt der Specksteine betrug lediglich 5 °C. Das ist zwar im Vergleich sehr wenig, die Steine bringen den Whiskey damit aber sehr schnell und auch sehr nahe an die empfohlene Trinktemperatur von 19–22 °C heran.
Nach 5 Minuten
5 Minuten nach Hinzufügung der Kühlwürfel wurde erneut gemessen und während Eis und Edelstahl den Drink weiter abkühlten, hielten die Specksteine die Temperatur von 18–19 °C. Für Whiskeygenießer, die gerne das Optimum der Temperatur erhalten möchten, könnte das also durchaus ein Argument für Specksteine und gegen andere Methoden sein. Bei dieser Messung hatten die Edelstahlwürfel ihren maximalen Kühlungseffekt erreicht und den Drink um 14 °C auf nur noch 9 °C abgekühlt. Die Eiswürfel kühlten den Drink bis auf 4 °C ab und schmolzen dabei zusehens dahin. Die kalte Trinktemperaturen im einstelligen Beriech ließen die süße Note des Four Roses in den Hintergrund treten, dafür wurden aber die würzigen Aromen hervorgehoben und eine leichte Schärfe umspielte den Gaumen. Im Glas mit den Eiswürfeln sorgte das Schmelzwasser bereits für deutliche Geschmackseinbußen.
Nach 10 Minuten
Nach insgesamt 10 Minuten erreichten auch die Eiswürfel ihren maximalen Kühlungseffekt, sie erzeugten eine Tempereaturveränderung um 19 °C auf 4 °C. Deutlich zu kalt für einen Whiskey und auch der Geschmack entfernte sich durch die Mengen an Schmlezwasser immer weiter von dem, was man noch als pure Spirituose beschreiben könnte. Die Edelstahlwürfel konnten die Temperatur von 9 °C bis zu dieser Messung halten und die Kühlung der Specksteine ließ ganz gemächlich nach und kletterte leicht über 19 °C.
Nach 20 Minuten
Nach 20 Minuten war die Temperatur in allen 3 Testgläsern wieder um 1 °C angestiegen und das, was sich im Testglas mit den Eiswürfeln darbot, schmeckte eher wie whiskeyhaltiges Wasser, als nach einem kalten Whiskey. Die Würfel waren fast vollständig geschmolzen und die Farbe erinnerte an Apfelschorle, während sich außen am Glas starkes Kondenswasser bildete – samt kleinem Rinnsal auf dem Tisch. Die gute Kühlung der Edelstahlwürfel sorgte für die schon beschriebene Änderung des Geschmacks. Kalt genossen wird eher die würzige Seite des Test-Bourbons betont. Die Aromen von Pfirsich, gepaart mit einer leicht würzigen Note und einem Finish, das an Rosinen erinnert, entfalteten sich aber schließlich doch, nur bei den Eiswürfel wird der Geschmack durch die Verwässerung letztlich völlig verändert.
Im Bild mit den Gläsern ohne die Kühlwürfel ist gut zu sehen, wie hoch der Füllstand nach dem Schmelzen der Eiswürfel im Vergleich zu den Gläsern mit purem Whisky ist.
Fazit
Wer seinen Whiskey gerne kalt genießt, sollte Alternativen zu gefrorenem Wasser ausprobieren. Die Edelstahlwürfel sehen nicht nur gut aus, sondern erfüllen auch ihren Zweck ohne lästiges Verwässern. Dazu sind sie wiederverwendbar und machen auch in anderen Drinks eine gute Figur. Die Specksteinquader sind ein rein natürliches Produkt, deren Kühlung zwar gering ausfällt, die aber an heißen Tagen den Whisk(e)y aufwerten können, indem sie die Trinktemperatur um ein paar Grad nach unten und in den optimalen Bereich verschieben. Unsere Tester waren sich abschließend einig, dass 3 der Edelstahlwürfel das beste Ergebnis erzielen: Stahl ist das neue Eis.
Anmerkungen des Autors
Abweichungen von anderen Testergebnissen
Im Vergleich zu den Testergebnissen, die im Scotchblog präsentiert werden, ist eine deutliche Abweichung zu erkennen. Dort erreichten die gleiche Anzahl an Whiskey Stones in der gleichen Menge Flüssigkeit nach 2 Minuten eine viel stärkere Abkühlung als in unserem Test. Die Anfangstemperaturen im Glas waren in beiden Tests unterschiedlich, in unserem Test waren es 23 °C dort 19,6 °C. Die Raumtemperatur wurde dort leider nicht angegeben, vermutlich lag sie unter der unseren, weshalb auch der kühlende Effekt bei uns schwächer ausfallen könnte. In einem sind sich aber alle Tests einig: Eis kühlt schnell und stark, Stein langsam, hält dafür aber die Temperatur konstant. Da wir davon ausgegangen sind, dass ein Whiskey nicht länger als 20 Minuten im Glas verweilen wird, haben wir auch nach diesem Zeitpunkt keine weitere Messung mehr durchgeführt. Im Scotchblog sind, in der dort angeführten Tabelle, Zeiten bis zu 60 Minuten zu finden.
Bourbon on Balls of Steel
Während der Wartezeiten zwischen den Messungen driftete das Gespräch beinahe magisch auf die glänzenden Balls of Steel zu, einem vergleichbaren Edelstahlprodukt aus den USA, das tatsächlich so heißt. „Kentucky Bourbon – Terminator Style“ kommt in den Sinn, oder „Drink your whiskey the Schwarzenegger way“.
Man kann das auch berechnen
Zum Abschluss möchte ich noch einmal auf Christoph Grützner und seine Analyse der Whiskey Stones hinweisen. In seinem englischsprachigen Blogartikel berechnet er die physikalischen Eigenschaften von Eiswürfeln und vergleicht deren Kühlungseffekt mathematisch mit den Steinwürfeln. Ein Blick lohnt sich defintiv!
Leserfeedback
Sollten Sie Ihre eigene Erfahrung mit einem der hier vorgestellten oder auch weiteren Kühlungsmethoden gemacht haben, würden wir gerne davon lesen. Wenn sie von einem anderen Zubehörprodukt erfahren, das vom Hersteller als revolutionär hilfreich beschrieben wird, würden wir auch das gerne wissen, um die Behauptung auf die Probe zu stellen. Also, schreiben Sie uns eine E-Mail an kontakt@highland-herold.de.